Schneider "Der friert wie ein Schneider"
In alter Zeit konnte man seine Kleidung nicht einfach in einem Laden kaufen. Anzüge, Mäntel, Westen oder Hosen wurden vom Schneider nach Maß gefertigt. Die hohe Kunst des Handwerkers bestand im guten Zuschnitt - daher sagen wir: Schneider (nicht Näher).
Früher bestellte man sich den Schneider oft ins Haus, der dann in der Stube am Esstisch arbeitete oder in der kalten Scheune. Im "Schneidesitz" arbeiten verhinderte ein Verschmutzen des Kleidungsstückes.
Der Schneider verarbeitete meist handgewebte selbst gefertigte Stoffe. Für die Männer überwiegend in schwarz. Der für die Hochzeit angefertigte Kirchenrock wurde oft ein ganzes Leben lang getragen. Wurden bestickte oder mit Samt verbrämte Jacken oder Westen gewünscht, musste der Schneider "Sticker" anwerben.
Schneider waren oft schwächliche, kränkliche Menschen, die der harten Feldarbeit nicht gewachsen waren (Siehe das Märchen vom "tapferen Schneiderlein"). Mehr schlecht als recht verdienten sie ihren Lebensunterhalt.
Wer "gut betucht" war, leistete sich gekauften, weichen, warmen. gewalkten Wollstoff (z. B. aus Calw, Augsburg, Weil der Stadt) und ließ daraus seine Kleidung anfertigen.
Diese wurde zugeschnitten, geheftet, anprobiert, versäubert, gefüttert und genäht. Für einen Anzug brauchte man rund 60 Stunden.
Weibliche Kleidungsstücke oder die Aussteuer für heiratsfähige Töchter fertigten überwiegend Näherinnen an. Mit Hilfe von Nähmaschinen ging das Nähen leichter und vor allem viel schneller.
Für ihr Gesellenstück im Damenschneiderhandwerk hat Ilse Schneider, geb. Maier, im Jahre 1947 die Note „sehr gut“ bekommen. Ihre Lehre hat sie 1944 – 1947 im Modellhaus Johanna Knobel in Stuttgart, Königstraße 35 gemacht. Das war damals eine der ersten Adressen im Schneiderhandwerk in Stuttgart mit etwa 20 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Es wurde nur maßgefertigte Modelle für Kundinnen geschneidert. Eine der prominenten Kundinnen war Lale Andersen, die regelmäßig ihre Garderobe bei Frau Knobel schneidern ließ.
Ilse Maier hatte damals ihre Ausbildung gegen Ende des Krieges begonnen, nachdem sie vom 1.4.1943 bis 31.3.1944 ein „Pflichtjahr“ mit Hauswirtschaftlicher Berufsschule abgeleistet hatte. Dies war die Voraussetzung zur Aufnahme einer Lehre.
Den Berufswunsch „Schneiderin“ hat sie schon früh gefasst. Ihre Tante war ebenfalls Schneiderin, mit ihr und deren Schwester hat sie sich bei Johanna Knobel vorgestellt und die Lehrstelle bekommen. Es gab damals auch schon eine Probezeit, in der sie sich so geschickt angestellt hat, dass sie die Ausbildung fortsetzen konnte.
Ilse Maier wohnte mit Eltern und Geschwistern im Bahnwärterhaus zwischen Malmsheim und Renningen. Sie konnte mit dem Zug nach Stuttgart fahren. Da ihr Vater bei der Eisenbahn angestellt war, bekam sie Freifahrscheine, wohl für die Familie auch eine Voraussetzung für eine Lehre in Stuttgart.
Ilse Schneider hat sich erinnert, dass außer ihr aus Malmsheim nur zwei andere junge Mädchen für ihre Ausbildung nach Korntal fuhren.
Wie sah der Alltag in der Schneiderei aus?
Es gab zwei Lehrlinge in der Abteilung „Kostüme und Mäntel“ und drei ausgebildete Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Die praktische Anleitung fand in den Werkstatträumen durch die erfahrenen Mitarbeiter und die theoretische Ausbildung an der Berufsschule statt. Allerdings war in Kriegszeiten und auch danach alles „nicht normal“: Die Züge fuhren nicht immer regelmäßig, die Näharbeiten samt Nähmaschinen mussten jeden Abend aus dem 2. Stock in den Keller getragen werden, in der 2. Jahreshälfte 1944 wurde das Gebäude in der Königsstraße ausgebombt. Danach wurde nacheinander an drei verschiedenen Orten in der Innenstadt weitergearbeitet. Auch während der angesetzten Prüfungszeit im März 1947 fuhr kein Zug, deshalb fand die Prüfung in der Berufsschule erst im Oktober 1947 statt.
Warum heißt der Mantel „Verwandlungsmantel“?
Er hat einen zusätzlichen Schalkragen, blau unterfüttert, der als Kragen, als Schal oder sogar als wärmender Schal über den Kopf gelegt werden konnte. Er musste innerhalb einer Woche gefertigt werden.