Strickerei
Die hier ausgestellten Strickmaschinen sind Zeugen der ehemals in Renningen ansässigen Strickfabriken. Sie boten vielen Frauen über Jahrzehnte hinweg Arbeitsplätze vor Ort sowie später auch Heimarbeitsplätze für kriegsbeschädigte Männer.
Oftmals begannen junge Mädchen ab 13/14 Jahren ihre Tätigkeit dort und blieben bis zur Verrentung oder der Firmenauflösung ein Leben lang dem Geschäft treu.
In den Fabriken wurden Handschuhe, Socken, Strümpfe, Leibbinden, Schlauchmützen sowie Kinderkleidung, Strumpfhosen und Damenschlüpfer gefertigt. Bis kurz vor dem 2.Weltkrieg wurde an rein mechanischen Flachstrickmaschinen gearbeitet.
Was auf den ersten Blick einfach erscheint, war in Wirklichkeit eine sehr anstrengende Tätigkeit und verlangte eine entsprechende körperliche Konstitution.
So genannte "Längenstrickerne" hatten z.B. mehrere Teile nebeneinander aufgespannt und mussten mit weiten Armschwüngen ihre Touren hin und her im Stehen bewältigen (Strümpfe, Strumpfhosen usw.).
Das so genannte "Anfußen" oder "Zusammennähen" war zwar körperlich weniger anstrengend, verlangte aber gutes Sehvermögen und eine hohe Konzentration. Es war eine nervenauf-reibende Tätigkeit.
Die meisten Produkte waren aus hochwertiger Wolle gefertigt und wurden ausschließlich in Fachgeschäften in der Stadt verkauft. Sie waren auch entsprechend teuer.
Die Einführung lochkartengesteuerter, motorbetriebener Maschinen brachte zwar eine körperliche Erleichterung, dafür war aber noch viel mehr Umsicht und Gespür für Tempo und Eigenheiten der Maschinen und Garne gefordert.Natürlich hatten dann die Arbeiter-/innen gleichzeitig mehrere Maschinen zu betreuen.
Trotz aller Modernisierung waren infolge hoher Rohstoffpreise von Wolle, Baumwolle und intensiven Personalkosten diese hochwertigen, heimischen Erzeugnisse gegenüber Importwaren aus Fernost nicht mehr konkurrenzfähig und so wurde nach und nach die Produktion in beiden Strickereien Anfang der siebziger Jahre eingestellt.
Die Strickmaschine aus Anna Schmidts Laden, Renningen, Hauptstraße 6
Diese Strickmaschine wurde von Else Schmidt, spätere Frau Kappel, danach Frau Cardillo
für Museumszwecke Jahre nach der Geschäftsaufgabe von "Hutladen Schmidt" überlassen.
Die Maschine war einmal im Besitz von Else Schmidts Mutter, die ein Geschäft in der Hauptstraße 6 in Renningen führte.
Die Renninger gingen damals ins Fachgeschäft zu "Hallers Anna" oder zur "Hutladen Schmidt" (weil geb. Haller, Schwester von Willi Haller, ehemaliger Lebensmittel-Laden, heute neben Bäckerei Steinbrich).
Anna Schmidt war u. A. die Mutter von Lore Kindler, Renninger Heimatdichterin und Buchautorin („Auf Teufels Hirnschale“ und vieles mehr) Zum sehr umfangreichen Sortiment des Ladens gehörten in vergangener Zeit Damen,- Herren-, Kinderhüte, Mützen und Schals, Strümpfe, Socken, Strumpfhosen, Unterwäsche, Blusen, Pullover, Strickwesten für Jung und Alt, Babykleidung, Bettwäsche, Bettfedern incl. deren Reinigung, Betten, Nachtwäsche für Damen und Herren, Herrenhemden, Krawatten, Miederwaren, Schürzen, Wolle, Garne, Kurzwaren, Stoffe, Handarbeitszubehör- auch für den Schulbedarf, Tischwäsche u. v. m.
Unglaublich, was der kleine Laden alles im Angebot hatte. Er war von unten bis oben voll mit Waren, sodass die Anna kaum hinter dem Ladentisch vor schauen konnte.
Wer in den 50er und 60er Jahren dort eingekauft hat, wurde von der Ladenbesitzerin "Annel" immer mit "Ade und anders Mal wieder" oder mit "kommet se mol wieder" freundlich verabschiedet.
Anna war Jahrgang 1904 und betrieb ihr Geschäft ab 1929 im eigenen Haus. Sie war gelernte Näherin und begann anfangs mit dem Nähen von Herrenhemden und Nachtwäsche. Nach dem Krieg sammelte sie z.B. noch Lumpen, um der Kundschaft gegen Lumpen eingetauschte Wolle und deren Strick-Erzeugnisse anbieten zu können.
Auf der ausgestellten Strickmaschine wurden bis ca. 1955-1958 Auftragsarbeiten der Renninger Kundschaft u.a. von Marie Faas ganztags erledigt.
Gestrickt wurde darauf in einem separaten Stüble im Anschluss an den Laden.
Bezahlt wurde die Strickerin im Stundenlohn oder je nach Werkstück.
Sie strickte Unterhosen, viele Socken, Pullover oder Westen damit.
Mangels Nachfrage war sie später nur noch sporadisch für das Geschäft tätig.
Auch die Ladenbesitzerin sowie die Tochter Else fertigten mit einer weiteren, hier nicht präsenten Maschine Strickwaren an.
Nach vielen Jahrzehnten der Stilllegung erfuhr diese Maschine eine kurze Renaissance und wurde dank einer ehemaligen Strickerei-Kern-Mitarbeiterin wieder für private Zwecke von Else Cardillo reaktiviert.
Der Laden wurde Anfang der sechziger Jahre umgebaut und modernisiert bevor der Sohn Willi und Tochter Else das Geschäft übernahmen.
Auftragsstrickarbeiten gab es da schon lange nicht mehr.
Der Laden wurde von Beiden von 1964 bis 1974 betrieben.
Mit der Eröffnung des Leo Centers 1973 war der Ertrag spürbar eingebrochen und
Willi Schmidt ist einem anderen Broterwerb nachgegangen.
Schwester Else führte das Traditionsgeschäft noch bis 1979 allein weiter, konnte gerade noch das 50jährige Geschäftsjubiläum begehen und fand nach der Aufgabe des Ladens („Textil Schmidt)“ Arbeit in Magstadt (Firma Schönenberger).
Der ehemalige Laden der "Hallers Anna" (gestorben 1988) ist bis heute an wechselnde Mieter vergeben. Aktuell an ein Versicherungsbüro.
Renate Wezel, 14. April 2024